"Zu besseren Entscheidungsfindungen beitragen"

Am 1. Januar 2024 hat Johanna Ziegel ihre Stelle als ordentliche Professorin für Statistik angetreten. Ihre Forschung an der Schnittstelle von Statistik, Risikomanagement, Finanzmathematik und interdisziplinären Datenwissenschaften dreht sich um Prognosen in einer Vielzahl von Kontexten – und liefert mathematische Werkzeuge, um sagen zu können, wann eine Vorhersage "gut" ist.

von Andreas Trabesinger

Wir treffen täglich auf Prognosen, sei es für Börsenkurse, Verkehrsflüsse oder, natürlich, das Wetter. Ob sich eine Vorhersage als richtig erweist, kann nur die Zeit zeigen. Aber wie zuverlässig wird die nächste sein? Johanna Ziegel arbeitet daran, eine Antwort auf diese Frage zu finden: "Meine Arbeit konzentriert sich darauf, die Qualität von Vorhersagen objektiv zu beurteilen", sagt sie. Wie Vorhersagen zustande kommen, steht dabei nicht unbedingt im Vordergrund. "Wenn meine Nachbarn konsequent bessere Wettervorhersagen produzieren können als ein meteorologisches Institut, dann ist es mir egal, wie sie das machen – solange ich stringent zeigen kann, dass sie tatsächlich 'besser' sind."

Bewertung und Vergleich von Prognosen

Doch was bedeutet "besser" in diesem Zusammenhang? Mehrere Faktoren bestimmen die Qualität einer Vorhersage. Eine wichtige Komponente ist nicht nur die Vorhersage, ob ein Ereignis eintritt – ob es regnet oder nicht –, sondern auch die Quantifizierung der Unsicherheiten. Bei Grössen wie der Temperatur sind wir bereits daran gewöhnt, in unseren Wetter-Apps Unsicherheitsbereiche für Temperaturvorhersagen zu sehen. Informative Unsicherheiten für extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen und Hitzewellen anzugeben, ist eine wesentlich grössere Herausforderung. Methoden zu entwicklen, die zuverlässige, kalibrierte Quantifizierungen für solche Probleme liefern, ist eines der Forschungsziele von Ziegel.

«Mein Ziel ist es, zu besseren Entscheidungsfindungen beizutragen. Unsere Forschung zur objektiven Bewertung und zum Vergleich von Vorhersagen ist daher oft mit der Modellierung von seltenen Phänomenen wie extremen Wetterereignissen und mit Datenanalysen verbunden.»
Johanna Ziegel

Eine weitere Herausforderung ist die objektive Vergleichbarkeit von Prognosen. Ein hochrelevantes Beispiel ist das Finanzrisikomanagement, insbesondere der Vergleich verschiedener Verfahren zur Risikobewertung. Diese Methoden beeinflussen, wie Finanzinstitute internes Risikomanagement betreiben, aber sie fliessen auch in regulatorische Rahmenwerke wie die Basler Akkorde ein. In diesem Bereich veröffentlichten Ziegel und ihre Kollegin Natalia Nolde 2017 eine vielbeachtete Arbeit, in der sie eine innovative Methode zum Vergleich geschätzter Verlustverteilungen von Finanzportfolios vorstellten, wodurch eine objektive Bewertung verschiedener Risikobewertungsmethoden ermöglicht wurde.

Die Verbindung zu realen Problemen ist für Ziegel wichtig: "Mein Ziel ist es, zu besseren Entscheidungsfindungen beizutragen. Unsere Forschung zur objektiven Bewertung und zum Vergleich von Vorhersagen ist daher oft mit der Modellierung von seltenen Phänomenen wie extremen Wetterereignissen und mit Datenanalysen verbunden." Ein aktuelles Beispiel aus der letztgenannten Kategorie ist eine Analyse, in der sie zusammen mit einem interdisziplinären Team untersuchte, wie lange einzelne COVID-19-Patienten auf Schweizer Intensivstationen verbleiben. Die Möglichkeit, frühzeitig Vorhersagen über die erwartete Aufenthaltsdauer zu treffen, verbessert die Ressourcenallokation und Patientenversorgung.

Eine Rückkehr zur Alma Mater

Diese Breite von Interessen spiegelt sich auch in Ziegels wissenschaftlichem Werdegang wider. Nach dem Abschluss ihres Mathematikstudiums an der ETH Zürich im Jahr 2006 blieb sie für ihre Doktorarbeit über die stereologische Analyse räumlicher Strukturen – mit Anwendungen in der Mikroskopie, bei räumlichen Vermessungen und in der Bildanalyse – unter der Betreuung von Paul Embrechts und Eva B. Vedel Jensen (Universität Aarhus, Dänemark). Sie promovierte 2009 und wechselte dann an die Universität Melbourne (Australien) und die Universität Heidelberg (Deutschland). In dieser Zeit leistete sie wichtige Beiträge zur Theorie der positiv definiten Funktionen und zur statistischen Vorhersagetheorie. Letztere wurde zu ihrem Hauptforschungsinteresse. 2012 wurde sie als Tenure-Track-Assistenzprofessorin für angewandte Stochastik an die Universität Bern berufen, wo sie 2018 zur ausserordentlichen und 2023 zur ordentlichen Professorin befördert wurde, bevor sie dieses Jahr an die ETH Zürich zurückkehrte. Seit 2021 ist sie auch als Gastwissenschaftlerin am Heidelberger Institut für Theoretische Studien.

Während ihrer Zeit in Bern war Ziegel Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Oeschger Centre for Climate Change Research (OCCR) an der Universität Bern. Sie war auch im Rat der Bernoulli Society und ist derzeit Mitglied der Redaktionsräte von Bernoulli, JASA: Theory & Methods, dem Journal of Financial Econometrics, dem International Journal of Forecasting und dem SIAM Journal on Financial Mathematics.

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In ihrer Forschung konzentriert sich Johanna Ziegel darauf, die Qualität von Vorhersagen objektiv zu beurteilen

Eine engagierte Kommunikatorin

Neben ihren Beiträgen zu verschiedensten Forschungsgebieten ist Ziegel eine begeisterte Dozentin. Ihr Engagement wurde 2022 mit dem Credit Suisse Award for Best Teaching an der Universität Bern gewürdigt. In der Laudatio wurden nicht nur ihre Kreativität und innovativen Konzepte für interaktiven Unterricht und ihr Bemühen, die Bedeutung der Mathematik in den Naturwissenschaften zu verdeutlichen, hervorgehoben, sondern auch ihr freundlicher und respektvoller Umgang mit den Studierenden und ihr Engagement für die Förderung des akademischen Nachwuchses gelobt. Diese Qualitäten werden für ihre Lehre an der ETH eine grosse Bereicherung sein.

Ziegels Leben ausserhalb der Mathematik ist ebenfalls durch ein breites Spektrum von Interessen geprägt. Sie ist nicht nur Mutter zweier Kinder – "sie lehren mich mindestens so viel wie die akademische Forschung" –, sondern auch Vertreterin im Rat der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt Suva, begeisterte Sportlerin (derzeit vor allem Radfahrerin, früher auch Barfussläuferin) und verfügt über bemerkenswerte Sprachkenntnisse, mit drei der Schweizer Landessprachen im Repertoire. Eine perfekte Basis also für viele fruchtbare Interaktionen im Departement und an der gesamten ETH.

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