Abschied Giovanni Felder – Grenzgänger zwischen Mathematik und Physik
Nach 28 Jahren im Departement wird Professor Giovanni Felder am 28. Februar seine Abschiedsvorlesung halten. Im folgenden Interview spricht er über seine frühen Jahre als Wanderer zwischen den Disziplinen, seine Zeit als Gründungsdirektor des Instituts für Theoretische Studien (ETH-ITS) und als Co-Direktor von SwissMAP.
Sie haben in den 1970er-Jahren an der ETH Zürich Physik studiert. Was war damals anders als heute?
Damals gab es viel weniger Leute als heute, vielleicht so gegen 120 Studierende in Mathematik und Physik zusammen im ersten Studienjahr. Der Hönggerberg war viel weniger lebendig als heute, und Dozenten haben während der Vorlesung geraucht.
Es galt das Prinzip, dass die Physikstudierenden dieselbe Grundausbildung in Mathematik hatten wie die Mathematikstudierenden. Das ist heute immer noch teilweise so, aber die Verbindung ist schwächer als früher.
Durch diese enge Verbindung konnte ich bereits im Studium viel Mathematik lernen, auch weil einige Professoren der theoretischen Physik, wie Walter Hunziker, Klaus Hepp und später mein Doktorvater Jürg Fröhlich, eine starke mathematische Kultur hatten.
Obwohl ich meine Dissertation in Physik geschrieben habe, war schon damals auch die Mathematik für mich wichtig.
«Damals oszillierte ich sozusagen zwischen Mathematik und Physik, denn in diesem Grenzbereich gab und gibt es nach wie vor viele spannenden Fragen, die mich interessieren.»Giovanni Felder
Nach Ihrem Doktorat waren Sie drei Jahre als Postdoc im Ausland unterwegs, bevor Sie 1989 wieder zurück an die ETH kamen, wo Sie zuerst als Oberassistent am Institut für Theoretische Physik arbeiteten und dann als Assistenzprofessor ans D-MATH kamen. Sie waren als Professor an der University of North Carolina, als Sie 1996 die Berufung an die ETH erhielten. Gab es bestimmte Schlüsselmomente, die Ihnen in Erinnerung geblieben sind?
Meine erste Postdoc-Stelle war am Institut des Hautes Études Scientifiques (IHES), denn dort forschte Krzysztof Gawędzki im Bereich der mathematischen Quantenfeldtheorie, die mich interessierte. Das spannende am IHES war, dass am selben Ort sowohl in Mathematik als auch in theoretischer Physik geforscht wurde.
Dann war ich zurück an der ETH, zunächst in der Physik und dann in der Mathematik als Assistenzprofessor. Damals oszillierte ich sozusagen zwischen Mathematik und Physik, denn in diesem Grenzbereich gab und gibt es nach wie vor viele spannenden Fragen, die mich interessieren.
Am Anfang meiner Karriere war dieser Wechsel zwischen den beiden Gebieten schwierig, weil man mich in der Mathematik als Physiker wahrnahm und nicht richtig einordnen konnte.
Und dann kam meine erste Stelle als ordentlicher Professor in den Vereinigten Staaten im Mathematikdepartement an der University of North Carolina, und ab diesem Moment war ich als Mathematiker anerkannt. Ich konnte dann in meiner Forschung die vielen Gebiete in der schönen Welt der Mathematik erkunden, wo Ideen aus der Physik eine entscheidende Rolle spielen.
Und dann kamen Sie nach Zürich ans D-MATH. Gab es Unterschiede zwischen den USA und der Schweiz? Falls ja, wo lagen diese?
In den Vereinigten Staaten gab es viele Kolleginnen und Kollegen, die in ähnlichen Gebieten arbeiteten wie ich. Mit dem Wechsel in die Schweiz war das anfänglich nicht mehr so. Hier am D-MATH war ich damals der Einzige auf meinem Gebiet, das heisst, es gab schon andere Leute in mathematischer Physik, aber nicht in den algebraischen Richtungen, die mich interessierten, zum Beispiel der Darstellungstheorie oder der Geometrie.
Dafür hatte ich hier an der ETH mehr Mittel, um junge Leute einzustellen und eine neue Forschungsgruppe zu bilden, auch mit der Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds. Auch das Forschungsinstitut für Mathematik (FIM) spielte dabei eine wichtige Rolle, da es viele ausländische Gäste eingeladen hatte, mit denen ich Kollaborationen eingehen konnte.
Sie forschen im Bereich der mathematischen Physik. In welchen Bereichen haben Sie gearbeitet? Wo lagen Ihre Interessen? Haben sich diese im Laufe der Zeit geändert?
Mein ursprüngliches Forschungsgebiet ist die Quantenfeldtheorie, ein vielfältiges Fachgebiet der Physik, das immer wieder Stossrichtungen in der Mathematik motiviert. In dem Sinne war meine Forschung in der Mathematik auch beeinflusst von dem, was in der theoretischen Physik passierte. Und in den letzten dreissig Jahren hat sich sehr viel getan, beispielsweise in der Hochenergiephysik oder in der Stringtheorie, und das hat viele Ideen auch für die Mathematik gebracht. Ausgehend von diesen Entwicklungen habe ich mich für integrierbare Systeme, Quantisierung, Zufallsmatrizen, Darstellungstheorie von unendlichdimensionalen Lie-Algebren, Quantengruppen, nicht kommutative Geometrie und geometrische Aspekte von Superstrings interessiert.
Sie waren 2013 Gründungsmitglied des ETH-ITS und von 2014 bis 2022 Co-Direktor des National Centre of Competence in Research SwissMAP. Wie kam es zur Gründung der beiden Organisationen, und was war Ihre damalige Rolle?
Das ETH-ITS war eine Idee des früheren ETH-Präsidenten Ralph Eichler. Er konnte zwei private Spender, Martin Haefner und Max Rössler, überzeugen, ein neues Institut zu finanzieren, das sich vorwiegend auf theoretische Forschungsbereiche aus der Mathematik, der Physik, der Biologie und den Computerwissenschaften fokussieren sollte.
Die Idee hatte mich angesprochen, auch weil das Institut ein Ort sein sollte, an dem sich Forschende verschiedener Disziplinen treffen. Und so konnten wir während meiner Zeit als Direktor viele Topleute an die ETH einladen, wo sie dann bis zu einem Jahr bleiben und sich mit den Leuten vor Ort austauschen konnten. Und es kamen talentierte Junior Fellows, die erfolgreiche Karrieren, zum Teil an der ETH am ETH-ITS gestartet haben.
Bezüglich SwissMAP war es so, dass die ETH und die Universität Genf bereits ein gemeinsames Doktoratsprogramm in mathematischer Physik organisierten. Das Programm war vom Nationalfonds und von der Rektorenkonferenz finanziert und hiess ProDoc. Nachdem dieses beendet war, haben die beiden Unis einen neuen Antrag beim Nationalfonds eingereicht.
Das SwissMAP-Projekt startete 2014 und besteht aus drei Phasen von vier Jahren. Wir sind jetzt in der dritten Phase, und diese endet 2026. Während dieser Zeit konnten wir nicht nur viele Anstellungen realisieren, sondern auch neue Professuren schaffen.
Im Rahmen dieses Projekts wurde ein neues Institut gegründet: die SwissMAP Research Station (SRS) in Les Diablerets. Sie ist seit 2021 in Betrieb und organisiert Konferenzen, Workshops und Winter- und Sommerschulen für Doktorierende. Die SRS war ursprünglich für Veranstaltungen in der mathematischen Physik gegründet worden. Jetzt haben wir das Angebot auch für andere Gebiete der Mathematik und der Physik geöffnet und dieses und letztes Jahr bereits einige Konferenzen organisiert. Die SRS ist sehr erfolgreich gestartet. Wir hatten im letzten Jahr so viele Anfragen, dass wir sehr viele Anträge ablehnen mussten. Das zeigt, dass es einen Bedarf dafür gibt. Deshalb ist es gut, dass sich die ETH und die Uni Genf entschieden haben, das Projekt nach dem Ende von SwissMAP weiter zu finanzieren.
Sie halten am 28. Februar Ihre Abschiedsvorlesung mit dem Titel «Triangles, Quadrilaterals, Pentagons». Möchten Sie etwas mehr zum Inhalt der Vorlesung sagen?
Ich möchte nicht allzu viel verraten, aber es wird eine Vorlesung in Mathematik sein, die ich so zu gestalten versuchen werde, dass sie von einem allgemeinen Publikum genossen werden kann. Es kommen viele Bilder und Vorschläge für Freizeitaktivitäten für Familien …
Aufzeichnung von Giovanni Felders Abschiedsvorlesung
Weiterführende Links
- ETH-ITS
- externe Seite SwissMAP
- externe Seite SwissMAP Research Station
- Persönliche Website von Giovanni Felder