Alessio Figalli erhält Goldene Eule 2024
Wir freuen uns, bekannt zu geben, dass die Studentenverbände VSETH und VMP Professor Alessio Figalli mit der Goldenen Eule 2024 ausgezeichnet haben. Im Interview spricht er darüber, was die Auszeichnung für ihn bedeutet und nach welchen Prinzipien er Mathematik unterrichtet.
Was war das für ein Gefühl, die Goldene Eule für exzellente Lehre zu erhalten?
Ich fühlte mich sehr geehrt. Für mich ist das Unterrichten jedoch eine gemeinschaftliche Aufgabe und ich hätte es ohne tatkräftige Unterstützung nicht geschafft. Ich hatte einen grossartigen Gruppenorganisator, Reto Kaufmann, der bei der Koordination half und dafür sorgte, dass alles reibungslos verlief. Ich denke, dass das Unterrichten von Mathematik der mathematischen Forschung insofern ähnelt, als dass man auf den Beiträgen anderer aufbaut. Ich freue mich darauf, diese Erfahrung in den kommenden Jahren zu wiederholen.
Sie haben Analysis I für Studienanfänger unterrichtet, in einer sehr grossen Vorlesung mit 600 Teilnehmenden. Was gab es bei der Unterrichtsplanung zu beachten?
Das Unterrichten von Analysis I war sowohl eine Herausforderung als auch eine Bereicherung. Ich habe das Vorlesungsskript auf der Grundlage meiner eigenen Sichtweise der Mathematik umgestaltet, was es mir erleichterte, so zu unterrichten, dass es sich natürlich anfühlte. Es war das erste Mal, dass ich eine so grosse Einführungsvorlesung unterrichtete, also sah ich viele frischgebackene Studierende, die gerade ihre Universitätslaufbahn begannen. Es war faszinierend, diesen Aha-Moment mitzuerleben, wenn sie ein neues Konzept verstanden hatten.
Welche Unterrichtsmethoden haben Sie angewandt, um die Ideen aus der komplexen Analysis zu vermitteln?
Für mich dreht sich in der Mathematik alles um Ideen und Techniken. Ich beginne oft mit Visualisierungen oder Zeichnungen, um den Studierenden die Konzepte zu verdeutlichen, bevor ich mich in strenge Beweise vertiefe. Es ist wichtig, abstraktes Denken mit klaren, nachvollziehbaren Beispielen in Einklang zu bringen. Als ich studierte hatte ich auch Professoren, die mehr Wert auf Ideen als auf technische Details legten, und ich denke, dass diese Gewichtung einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat.
«Ich habe das Vorlesungsskript auf der Grundlage meiner eigenen Sichtweise der Mathematik umgestaltet, was es mir erleichterte, so zu unterrichten, dass es sich natürlich anfühlte.»Alessio Figalli
Dies war das erste Mal, dass Analysis I an der ETH auf Englisch unterrichtet wurde. Wie verlief dieser Wechsel?
Ich war etwas unsicher, deshalb habe ich mich häufig bei den Studierenden erkundigt, ob sie mit dem Englischen zurechtkommen. Die meisten von ihnen zogen es sogar vor, vor allem die Studierenden aus den italienisch- und französischsprachigen Regionen der Schweiz. Wir organisierten zudem Übungsgruppen in verschiedenen Sprachen und auch die Prüfung war sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch.
Während der Pausen und nach der Vorlesung standen Sie jeweils für die Fragen der Studierenden zur Verfügung. Welche Ratschläge haben Sie ihnen gegeben?
Ich blieb oft länger als eine halbe Stunde nach den Vorlesungen, um Fragen der Studierenden zu beantworten. Ausserdem habe ich sie nachdrücklich ermutigt, die Übungsgruppen zu besuchen. Zu Beginn einer Vorlesung fühlen sich viele Studierende überfordert, daher habe ich ihnen empfohlen Übungsaufgaben zu lösen, um den Stoff zu lernen. Und mit Zeit und Übung verbesserten sie sich dann allmählich. Mein Ziel war es, dass alle Studierenden bis zum Ende des Semesters Selbstvertrauen aufbauen und in der Lage sind, Probleme anzugehen.
Sie haben eine ungewöhnliche Entscheidung bezüglich der Aufzeichnung der Vorlesung getroffen. Können Sie das näher erläutern?
Ja, ich habe die Studierenden gebeten, persönlich am Unterricht teilzunehmen, anstatt sich die Aufzeichnungen anzusehen. Ich ging sogar so weit, dass ich den Zugang zu den Aufzeichnungen erst am Ende des Semesters freigab. An der ETH werden Vorlesungen normalerweise aufgezeichnet und stehen sofort zur Verfügung. Aus diesem Grund gab es anfangs einen gewissen Widerstand seitens der Studierenden. Aber ich war der festen Überzeugung, dass die persönliche Teilnahme eine viel bessere Lernumgebung schafft. Letztendlich haben die meisten Studierenden den Wert der Anwesenheit und der Interaktion mit ihren Kommilitonen verstanden.
Warum war für Sie die Schaffung einer angenehmen Atmosphäre so wichtig?
Ich denke es ist sehr wichtig, dass die Studierenden verstehen, dass Fragen zu stellen wichtig für den Lernfortschritt ist und habe sie dazu ermutigt. In grossen Vorlesungen trauen sich die Studierenden oft nicht, etwas zu sagen, weil sie scheu sind, aber ich wollte eine Atmosphäre schaffen, in der sie sich wohl fühlen, wenn sie sich zu Wort melden. Ich habe auch Videos aus einer Respect-Kampagne zur Förderung der Inklusivität vorgestellt, um die Studierenden daran zu erinnern, dass Respekt und Bewusstsein für andere wichtige Eigenschaften sind.
«Ich wollte eine Atmosphäre schaffen, in der sich die Studierenden wohl fühlen, wenn sie sich zu Wort melden.»Alessio Figalli